Ich habe ihn noch nie gefürchtet. Er ist ein großes Abenteuer. Wahrscheinlich haben wir ihn schon mehrere Male hinter uns – ja, ganz sicher sogar. Ich habe noch nie in meinem Leben Angst davor gehabt. Natürlich fragen wir uns alle, wie er dann kommt. Hat man die Chance, ihm würdevoll und bewusst zu begegnen? Ich möchte nicht ganz plötzlich sterben, ich würde das schon gern erleben – es ist ja eine große Sache. Vor neun Jahren ist mein Mann an Krebs gestorben, und das hat mich in meiner Haltung eher bestärkt. Rolf fürchtete zwar, die Kinder zu verlieren und mich allein zu lassen, aber ich habe bei ihm keine Angst gesehen. Er hatte Krebs, was eine schmerzhafte Art des Sterbens ist. Am Ende hatte ich dieses Gefühl, dass Rolf richtig froh war, wegzukönnen aus diesem Körper, der nicht mehr wirklich funktionierte. Noch heute habe ich manchmal das Gefühl, er ist in meiner Nähe. Das kommt jetzt seltener als zu Anfang, aber ab und zu passiert es immer noch, dass ich plötzlich denke: Ist der gerade hier ins Auto gestiegen? Oder ich sehe eine Blüte am Wegrand und denke: Danke.
Es ist schwierig, hier die richtigen Worte zu finden, ohne Banalität oder Pathos oder ohne Sentimentalität. Bei meiner Mutter wurde im April 2014 Blasenkrebs diagnostiziert, nach relativ kurzem Krankenhausaufenthalt mit zwei OPs kam sie nach Hause und wollte von da ab nicht mehr weg, weil man ihr noch bis Ende 2014 gegeben hatte. Sie hatte Angst, nicht zuhause in ihrer vertrauten Umgebung sterben zu dürfen. Sie hatte zum Schluss die schwersten Schmerzen und wollte gehen. Meine Schwester und ich saßen nachts an ihrem Bett und hielten ihre Hand uns sie betete, gehen zu dürfen. Eine Woche ging das so, bis es endlich so weit war. Zwei Monate vor ihrem 86. Geburtstag starb sie und wir fühlten tatsächlich zuerst Erleichterung, da ihr Wunsch erfüllt wurde und ihr Gesichtsausdruck entspannt und friedlich war. dann kam natürlich der Schmerz und erst in der letzten Zeit habe ich begriffen, dass sie nicht mehr da ist.
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