Montag, 10. April 2017

Karfreitag

Eine tiefe religiöse Erziehung aus der Kindheit lässt sich nicht so einfach abstreifen, wie ein Mantel, der bei den Frühlingstemperaturen zu warm geworden ist. Das Erlebnis von Jesu Leiden und Sterben hat sich tief eingegraben. Besonders erlebte ich als Radiobastler am Karfreitag die Stunde "Funkstille" von 15 bis 16 Uhr. Viel bekam ich davon nicht mit, denn in dieser Zeit hatte man in der Kirche zu sein und auch sonst war mit dem Tag nichts anzufangen. Erst später lockerten sich zum Leidwesen meiner Mutter die Sitten und es durfte auch ein Zoigl getrunken werden. Die aktiven Mensche heute haben kein Problem mehr, diesen geschenkten Tag in ihr Erholungsprogramm einzupacken. Doch auch nach 65 Jahren bin ich mit diesem Tag nicht "fertig" und manch anderen geht es ähnlich:
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Von Veit Hoffmann
In der kommenden Woche feiern wir das Osterfest. Doch davor steht der Karfreitag. Er ist einer der höchsten kirchlichen Feiertage. An diesem Tag sehen wir Jesus an das Kreuz geschlagen.
Was sich im Vorfeld abspielte wissen wir: Das letzte Abendmahl, der Verrat durch Judas, Jesu Gefangennahme durch Soldaten, die Verleugnung des Petrus, die Verurteilung, die Verspottung und Verhöhnung und Folter. Hände, die in Unschuld gewaschen werden. Schließlich der qualvolle Weg zur Hinrichtung. Jesus bricht unter der Last des Kreuzes zusammen. Simon aus Kyrene, dem heutigen Tripolis,  wird gezwungen das Kreuz ein Stück zu tragen. Die Kreuzigung, die Nägel, die Folterknechte am Fuß des Kreuzes, die Räuber zu seiner Rechten und Linken, die Lästerungen der Vorbeigehenden („Hilf dir selbst, wenn du Gottes Sohn bist“), die Finsternis, der Todesschrei zur 6. Stunde – „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und über dem ganzen Geschehen liegt menschliche Schuld, Niedertracht und Finsternis. All das ist Karfreitag, einer der höchsten kirchlichen Feiertage und der Höhepunkt der Gotteslästerung.
Aber was geht uns das an? Was hat das mit uns persönlich zu tun?
Dieses Geschehens ist kein Einzelfall. Millionenfach dringt der Schrei  „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ zu uns durch, denn noch immer wird an Jesu Kreuz gezimmert. Gestern, heute und morgen. Nicht nur dort, wo der Tod seine Herrschaft ausbreitet und das Böse seine Wahrheit verkündet. In den Kriegs- und Krisengebieten rund um den Globus. Auch hier aus Krankenhäusern, aus Wohnungen, in denen Not und Verzweiflung eingezogen sind.
Wer von uns hat nicht auch schon einmal selbst an der Hilfe Gottes gezweifelt und gefragt: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Die ältere Generation, die Bombenangriffe durchzitterten und durchbeteten, mit leerem Magen auf den Trümmern saßen. In einem Land, das aussah, als wollte es sich nie mehr erheben Sie sahen Kinder in Lumpen, ausgehungerte Männer, die aus der Gefangenschaft heimkehrten und gedemütigte Frauen. Und überall Trümmer. Wie oft haben Sie in dieser Situation die Worte   „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ so oder so ähnlich ausgesprochen? An Gottes Hilfe gezweifelt?
Was wir in solchen Situationen nicht sehen können ist die Hilfe Gottes in größter Not. Aber vielleicht können wir ihn ja spüren. Wenn die Grenze zum Tod überschritten ist, dann wird alles leicht dann fällt alles ab. Dann wird der Mensch vom Kreuz genommen und der schwere, schwarze Vorhang zerreißt. Und dahinter steht Gott und seine Zusage, dass er uns nicht verlassen will. Das hat er uns mit Jesus vor Augen gestellt.
An Karfreitag erfahren wir, dass Gott in größter Not und auch im Tod nahe ist. Das Evangelium endet deshalb auch nicht mit dem Todesschrei sondern mit der Auferstehung und dem Leben.
Ich weiß, das sagt sich so einfach daher, wenn es einem gut geht. Aber wir wünschen uns, dass es so ist. Die Gedanken an das Sterben verdrängen wir. Niemand redet gerne darüber und sogar dem Todkranken wird oft genug Genesung vorgegaukelt. „Das wird schon!“, „Kopf hoch!“
Sterben und Tod werden als Niederlage, als Feinde angesehen. Und weil das so ist, redet man selbst dem Todkranken noch Mut zu, gibt sich optimistisch.
Ich höre immer wieder, dass die Gedanken an das persönliche Sterben viel Kraft, Mut, und Vertrauen abverlangen. Und diese Fähigkeiten müssen erbetet werden. Die Gewissheit muss erbetet werden, dass hinter dem Schrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ Gott steht und sich eine neue Welt, die eigentliche Welt,  öffnet. Und dann ist alles Ängstende, Belastende und Schmerzende abgetan.
Wie schwach und zerbrechlich unser Leben ist, das wissen wir und das sehen wir nicht nur an der Leidensgeschichte von Jesu. Täglich werden wir durch die Medien mit der Finsternis konfrontiert, die oftmals zum Schneiden dick ist.
Doch an Karfreitag sehen wir, dass sich hinter der Welle des Todes eine viel mächtigere und größere Welle auftut. Die Welle der Liebe, des österlichen Lichts. Es gilt uns allen.

http://www.die-kirche.de/blog-detail/die-bruecken-istanbuls-kopie

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