Dienstag, 28. März 2017

Lotterie der Gene

Bereits um 7 Uhr fallen jetzt die ersten Sonnenstrahlen auf das Wettersteinmassiv. Wir haben es noch einmal in "unser" Hotel geschafft, es gibt Zeit und Raum um Nachzudenken!
Krebs ist vor allem: Pech. Der Zufall spielt bei der Entstehung von Tumoren eine große Rolle. Und doch ist ein gesunder Lebensstil wichtig.
Warum ich? Diese Frage stellt sich wahrscheinlich jeder Krebspatient nach der Diagnose. Eine Antwort geben nun der Biostatistiker Cristian Tomasetti und der Krebsbiologe Bert Vogelstein: Zwei Drittel der Mutationen in 32 untersuchten Krebsarten entstehen schlicht durch Zufall bei der Vermehrung körpereigener, gesunder Stammzellen.
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Auch wenn sich durch ihre Erkenntnis die Entstehung eines Krebstumors nicht abwenden lässt, hoffen die Forscher, Menschen helfen zu können: "Wenn sich zum Beispiel Eltern krebskranker Kinder im Internet informieren wollen, weshalb ihr Kind erkrankt ist, werden sie vor allem Aussagen über vererbte Gene und Umwelteinflüsse als Erklärung finden. Das verursacht oft starke Schuldgefühle", sagt Vogelstein. Er wünscht sich, dass seine Arbeit beiträgt, Eltern diese Selbstvorwürfe zu ersparen.
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Bereits vor 2015 hatten die beiden mit diesem Konzept der Krebsentstehung für Aufruhr in der Fachwelt gesorgt. Vielfach wurde Krebs damals als "Pech" dargestellt und als wäre ein gesunder Lebensstil nutzlos. Dabei hatten Tomasetti und Vogelstein betont, dass trotz der großen Rolle des Zufalls 30 bis 40 Prozent aller Tumore vermeidbar wären - genauso wie Krebsmediziner oft betonen - etwa durch Verzicht auf Rauchen, Verminderung von starkem Übergewicht und anderen gesundheitsschädlichen Faktoren.
In der neuen Arbeit versuchen die beiden Wissenschaftler auch abzuschätzen, wie groß der Anteil der verschiedenen Faktoren bei der Entstehung von Tumoren ist. Nach den Berechnungen Tomasettis entstehen 77 Prozent der kritischen Mutationen, die zu Bauchspeicheldrüsenkrebs führen können, durch Zufall bei der Zellteilung, 18 Prozent durch Umwelteinflüsse und fünf Prozent sind vererbt. Bei Tumoren der Prostata und im Gehirn schätzt Tomasetti den Einfluss der Zufallsmutationen auf   95 Prozent, bei Lungenkrebs hingegen nur auf 35 Prozent.
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In ihrer neuen Studie geben sich Tomasetti und Vogelstein mehr Mühe, um nicht noch einmal den Eindruck zu erwecken, dass Krebs ein reiner Schicksalsschlag ist. Sie betonen, wie gefährlich Lebensstilfaktoren wie Rauchen sind und wie wichtig Vorsorge ist, um die unvermeidbaren Tumore frühzeitig erkennen und bekämpfen zu können. Die Erkrankten, die gesund gelebt haben, nicht geraucht, sich aber viel bewegt und vor der Sonne geschützt haben, für die hofft Vogelstein, dass sie zumindest etwas Trost darin finden, dass sie nichts hätten tun können, um ihre Krankheit abzuwenden.
Gesamter Artikel Süddeutsche Zeitung Montag, 27. März 2017 VON HANNO CHARISIUS

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