Mittwoch, 8. März 2017

Das Recht auf ein Ende

Seit der neuen Gesetzgebung zur Sterbehilfe wird heftig diskutiert. Am 4.3. war in der Süddeutschen Zeitung der aktuelle Stand sehr gut zusammengefasst. Persönlich trifft mich das nicht so, da ich ja glaube, für mich eine Lösung zu haben. Schlimm aber für Betroffene, die sich nicht selbst helfen können.
Das Recht auf ein Ende
VON CHRISTINA BERNDT

Man muss nicht an Gott glauben, um das Leben als Geschenk zu empfinden; trotz aller Herausfor­derungen und Krisen, die es bereithält. Die meisten Menschen hängen denn auch am Leben. Sogar in Situationen, die sie wo­möglich einst selbst als so furchtbar ein­schätzten, dass sie sagten: Dann wäre ich lieber tot. So möchten selbst Patienten mit einem Locked-in-Syndrom, die also nur noch ihre Augenlider bewegen kön­nen, weiterleben. In Studien berichten sie im Durchschnitt von einer ebenso großen Zufriedenheit wie Gesunde.
Doch „im Durchschnitt" bedeutet nun einmal: Es gibt auch Menschen, die mit ei­ner schweren Krankheit eben nicht zu­rechtkommen. Die sich auch nach einer Phase der Trauer und des Abschiedneh­mens von ihrer früheren Art zu leben nicht an die neue Situation gewöhnen kön­nen. Die unerträgliche Schmerzen haben und ihr Leben daher nicht mehr als Ge­schenk empfinden, sondern als stetige Qual. Für diese Menschen und für alle, die mit ihnen leiden, bedeutet es eine enorme Erleichterung, dass das Bundesverwal­tungsgericht nun für den „extremen Ein­zelfall" das Recht auf eine schmerzlose Selbsttötung festgestellt hat.
Wenn sich ein Mensch das Leben nimmt, ist das furchtbar traurig. Meist könnten Therapeuten, Seelsorger, eine hochwertige medizinische und pflegeri­sche Versorgung und ein verlässliches so­ziales Netz Menschen vor einem Suizid be­wahren; und es muss das Ziel jeder Gesell­schaft sein, Kranke willkommen zu hei­ßen, ihnen Hilfe anzubieten und Wege auf­zuzeigen, wenn alles ausweglos erscheint. Ein Suizid ist niemals heroisch, er ent­steht immer aus einer Hilflosigkeit.
Aber manchmal, in den wenigen Ex­tremsituationen, die das Bundesverwal­tungsgericht aufgezeigt hat, gibt es eben keine Hilfe mehr. Dann lässt sich das Leid nicht lindern und die Freude nicht einmal für Augenblicke zurückgewinnen, auch wenn manche Palliativmediziner unabläs­sig anderes behaupten. Dann lässt sich die Situation nicht mit der eigenen Vorstel­lung von Würde und Selbstbestimmung in Einklang bringen, die tief in der Persön­lichkeit verankert ist. Das, was vom Ge­schenk des Lebens übrig bleibt, ist dann trotz aller Unterstützung nur noch Elend.
Der Staat hat es sich zur Aufgabe ge­macht, das Leben all seiner Bürger zu schützen. Das ist gut - nicht gut ist jedoch, dass diese paternalistische Haltung bis­her keine Ausnahme zuließ und auch ex­trem Leidenden der Zugang zu tödlichen Mitteln verwehrt blieb. So ist aus dem Recht auf Leben eine Pflicht zum Leben ge­worden, der sich Menschen nur durch radi­kale Schritte entziehen können. Wenn sie nicht von Berufs wegen Zugang zu Arznei­en haben, die einen sanften Tod ermögli­chen, dann springen sie aus dem Fenster, werfen sich vor Züge oder nehmen Tablet­ten, deren Folgen schwer kalkulierbar sind. Das verleiht dem Suizid zusätzlichen Schrecken.

So kehrt sich der paternalistische Schutz der unheilbar. Kranken um in Schutzlosigkeit. Der Staat wird dann zum überstrengen Vater, der starr an seinen Prinzipien festhält und verkennt, dass be­sondere Situationen besondere Maßnah­men erfordern. Wann Leid trotz aller Hilfe­angebote unerträglich wird, kann nur der Kranke selbst entscheiden. Und wenn er bei klarem Verstand und gesunder Seele frei zu dem Schluss kommt, dass es für ihn keine Linderung gibt, dann gebietet es die Menschenliebe, seine Entscheidung zu respektieren und ihm eine würdige Um­setzung zu ermöglichen. Dazu gehört der Zugang zu einer Medizin, mit der er sein Leben schmerzlos beenden kann.

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